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Ein Bericht im Teckbote von Hans-Günther Driess

Musik für Frieden und Freiheit

Der Kammerchor der Martinskirche Kirchheim, die Nürtinger Kantorei und die Stadtkapelle Kirchheim brillieren mit der Aufführung der Messe für den Frieden „The Armed Man“ von Karl Jenkins.

Herbstkonzerte 2025150 Ausführende begeisterten das zahlreiche Publikum in der Martinskirche mit herausragenden musikalischen Leistungen.
Kantor Ralf Sach dirigierte diese zweite Aufführung in Kirchheim. Foto: Hans-Günther Driess

Es war wieder einmal ein Höhepunkt im Kirchheimer Kulturleben, als am Volkstrauertag drei hochkarätige Ensembles im Gemeinschaftsprojekt das beeindruckende Werk „The Armed Man - A Mass for Peace“ von Karl Jenkins zur Aufführung brachten. Kammerchor der Martinskirche Kirchheim (Leitung: Ralf Sach), Kantorei der Stadtkirche Nürtingen (Leitung Hanzo Kim) und Stadtkapelle Kirchheim (Leitung: Marc Lange) wurden in der übervollen Martinskirche am Ende mit minutenlangem Applaus und Standing Ovations gefeiert.

Das weltbekannte Werk komponierte der walisische Komponist und Pazifist Karl Jenkins im Jahr 1999 zur Jahrtausendfeier als musikalisches Plädoyer gegen jede Art von Krieg und Gewalt. Darin verwob er Texte aus Religion und Kultur, um das Verbindende hervorzuheben. In der interkulturellen Friedensmesse, die dem Kosovokrieg gewidmet ist, kommen christliche, muslimische und fernöstliche Stimmen zur Sprache. Sie basiert auf Texten der katholischen Messliturgie, streift das titelgebende, mittelalterliche Volkslied vom „bewaffneten Mann“ und formuliert am Ende die Hoffnung auf eine Welt in Frieden und Freiheit.

Hervorragende Chorleistung

„The Armed Man“ beginnt im Rhythmus einer Snare Drum zur Darstellung von Schritten marschierender Soldaten. Dazu intoniert die Pikkoloflöte das französischsprachige Soldatenlied „L’homme armé“ aus dem 15. Jahrhundert, das abwechselnd von den Männerstimmen und Frauenstimmen übernommen wird. Schon hier zeigte sich, dass die beiden vereinten Chöre stimmtechnisch bestens geschult waren. Sie glänzten mit reiner Intonation in allen Lagen, einheitlichen Vokalfärbungen und klanglicher Ausgewogenheit zwischen den Stimmregistern. Beeindruckend gelang die Ausdeutung des Textgehalts, wie beispielsweise das Flehen um Erbarmen im Kyrie eleison, das die Mezzo-Sopran-Solistin Maria Martinez Gabaldon mit ihrer strahlenden, geschmeidigen Stimme bereicherte. Mit seinem Muezzin-Ruf trat Naeem Ahmed Skeikh von der Empore aus mit wohlklingender Stimme in einen Dialog mit dem urchristlichen, vom Chor gesungenen Sanctus. Eine Botschaft mit Tiefgang, nicht zuletzt durch den sprachlichen Kontrast arabisch / lateinisch: Der eine Gott ist Mutter und Vater aller Menschen und Kreaturen.

Sicheres Klangfundament

„Hymn Before Action“ (Lobgesang vor der Schlacht), ein Gedicht von Rudyard Kipling, wurde mit sanften Klängen unterlegt und wirkte wie ein musikalisches Gebet. Abrupt setzte das Geschmetter der Kriegstrompeten ein in „Charge!“ (Angriff!), wo die Sängerinnen und Sänger realistisch Schreie der Sterbenden wiedergaben und der Kriegslärm höchst expressiv vom Orchester illustriert wurde. Nach langer unheimlicher Stille signalisierte das wunderbar geblasene Hornsolo „The Last Post“ das Ende des Kampfes. Verlässliche Garanten für ein gutes Klangfundament in der ganzen Aufführung waren die 70 Instrumentalistinnen und Instrumentalistinnen der Stadtkapelle Kirchheim. Sie bestachen mit mächtigen Klängen und einer beachtlichen Bandbreite von Klangfarben wie in „Angry Flames“ (Zornige Flammen) des japanischen Komponisten TÕge Sankichi, der die entsetzlichen Geschehnisse und das Leiden seines Volkes nach der Bombardierung Hiroshimas beschreibt. Extrem laut und dramatisch erklang „Torches“ (Flammen) als Vertonung eines Kapitels aus dem Epos „Mahabharata“, das zwischen 400 v. Chr. und 400 n. Chr. in Indien entstand. Die Ausführenden stellten damit den Schrecken und das Leid verbrennender Tiere im Khandava-Wald dar.

Wohltuend war es, dass nun parallel zum Schweigen der Waffen Ruhe einkehrte mit „Now The Guns Have Stopped“ im Stile der mittelalterlichen Gregorianik. Im Lobgesang „Benedictus qui venit“ und dem Bittgebet „Agnus Dei“ setzte die Solistin Maria Martinez Gabaldon erneut Glanzpunkte mit ihrer weichen, auch in der Tiefe volltönenden Stimme. Ein Ausrufezeichen in Sachen edlem a cappella-Gesang setzte der Chor im Choral „God Shall Wape Away All Tears“ (Und Gott wird abwischen alle Tränen). Zur Feier des Friedens zogen die Agierenden abschließend nochmals alle Register mit mittelalterlichen Freudengesängen und Tanzliedern.

Kantor Ralf Sach dirigierte souverän, forderte detaillierte Gestaltung in Ausdruck und Dynamik und führte den riesigen Klangkörper zu Höchstleistungen. Die Balance zwischen Chor und Orchester war in Anbetracht nur weniger gemeinsamer Proben bestens austariert.

In drei interessanten Kompositionen mit Bezügen zu weltpolitischen Ereignissen eröffnete Stadtmusikdirektor Marc Lange den ersten Teil des Konzerts. Wie ein Aufruf zu Verständigung und Frieden wirkte die „Smetana Fanfare“ des tschechischen Komponisten Karel Husa, der 1968 vor dem sogenannten Prager Frühling und der sowjetischen Invasion seine Heimat verlassen musste. Die Stadtkapelle veranschaulichte das Aufbegehren des Volkes mit gewaltigen Klängen unter Dominanz des Schlagwerks. John Rutter komponierte sein Gebet für die Freiheit „Distant Land“ im Jahr 1990 als Reaktion auf den Fall der Berliner Mauer und die Freilassung von Nelson Mandela aus der Haft. Mit sanften, weit ausschwingenden Melodien und einer farbenreichen Instrumentierung zeichneten Musikerinnen und Musiker hier eine friedvolle Klangwelt, die zugleich Erhabenheit und Größe ausstrahlte. In „Hymn for World Peace“ von David Maslanka stellten zahlreiche Instrumentalsolisten ihr großes Können vor. Zusammen mit dem Orchester kann ihr Spiel als Sinnbild des unvoreingenommenen Miteinanders und der Sehnsucht nach einem Land ohne Krieg und Gewalt verstanden werden.