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Die Ketten der Zwangspause gesprengt

Ein Bericht im Teckbote vom 16.11.2021 von Hans-Günther Driess

Die Stadtkapelle Kirchheim glänzt beim Konzert zugunsten der Martinskirchenstiftung mit majestätischer Opulenz.
Erstmals nach 21 Monaten durfte sich das Orchester in Vollbesetzung präsentieren.

benefizkonzert 21

Die majestätische Opulenz des  70-köpfigen  Orchesters wirkte schon beim einleitenden Renaissance-Tanz wie eine Befreiung aus den Ketten der 21-monatigen Zwangspause: Zum ersten Mal durfte die Stadtkapelle wieder in Vollbesetzung konzertieren. Nach nur sechs Wochen Probenarbeit ein so großartiges Konzert zu präsentieren, verdient größten Respekt! Die Markenzeichen des preisgekrönten Ensembles kamen in den großartig interpretierten Werken des Abends zum Vorschein: Homogenität in allen Klanggruppen, feine dynamische Abstufungen, exaktes Zusammenspiel und ein ausgewogener Gesamtklang. Unter dem exzellenten Dirigat von Marc Lange bereitete es den Akteuren sichtlich Freude zu musizieren, und sie setzten seine klaren Vorgaben eins zu eins um. Marc Lange zeigte sich in seiner Begrüßung erfreut und dankbar über die zahlreichen Zuhörerinnen und Zuhörer in der Kirchheimer Martinskirche. Zugleich drückte  er  seine  Hoffnung  aus, dass die Weihnachtskonzerte trotz der besorgniserregenden Entwicklung der Pandemie am 18. und 19. Dezember in der Stadthalle stattfinden können. Dem Japaner Yosuke Fukuda gelingt es in beeindruckender Weise, den europäischen Musikstil des 15. und 16. Jahrhunderts wiederzubeleben. In seinem Renaissance Dance  Nr.  2  traf  das  Orchester den Duktus

 der alten Zeit mit den entsprechenden Tanzrhythmen, dem Wechsel der Registergruppen und der Terrassendynamik. Der Brite Gustav Holst komponierte zwischen 1914 und 1916 seine bekannte Orchestersuite „Die Planeten“, die später großen Einfluss auf die Filmmusik ausübte. Bei der bekannten Jupiter-Hymne aus diesem Zyklus bestach die Stadtkapelle durch monumentale Klangeffekte und den Reichtum an Klangfarben. Das dunkle Register des tiefen Blechs strahlte passend zum größten aller Planeten Erhabenheit aus. Im schnellen Teil faszinierte der Wechsel der Registergruppen. Insbesondere der Kontrast zwischen flirrenden hohen Holzbläsern und dem Cantus Firmus der tiefen Instrumente und die hervorragend aufspielenden Schlagwerker verstärkten die fulminante Schlusswirkung. Die anspruchsvolle Komposition „Devil’s Tower“ von Thomas Doss erzählt im Stile einer spukhaften Filmmusik die Geschichte  von  einer  sagenumwobenen Burg, auf der der Teufel sein Unwesen treibt. Das Orchester zeichnete mit archaisch wirkenden Melodien die mittelalterliche Szenerie, ehe die Welt durch das Eingreifen des Teufels aus den Fugen gerät – was mit skurrilen rasenden Tonfolgen, Dissonanzen und unheilvollen Glockenschlägen symbolisiert wurde. Die „Kleine Yiddishe Ragmusik“  von

Adam  Gorb  aus  dem Jahr 2003 ist eine brillante Synthese von Ragtime à la Scott Joplin und  der  jiddischen  Volksmusik Klezmer. Großes Können zeigten hier zahlreiche Solistinnen und Solisten aus den Reihen des Orchesters, indem sie stiltypisch exotische Melodien der Klezmer Musik aufleuchten ließen oder mit groovenden Saxofonsoli Jazzelemente verdeutlichten. Die organischen Übergänge zwischen den unterschiedlichen Genres gelangen  großartig. Kreatives  Changieren zwischen Bigband-Sound mit akkordisch auskomponierten Gleitklängen und den tänzerischen Elementen jiddischer Volksmusik erzeugte einen besonderen Reiz. Hörgenuss pur!
Erwähnt  sei  an  dieser  Stelle die begeisternde Vitalität des Dirigenten Marc Lange, die sich auf sein Ensemble überträgt. Er „lebt“ die Musik, er dirigiert mit Leidenschaft, dabei nicht selbstgefällig, sondern exakt und im Dienste der jeweiligen Interpretation. Der Kantor der Martinskirche, Ralf Sach, bedankte sich bei der Stadtkapelle für das inzwischen vierte Benefizkonzert zugunsten der Martinskirchenstiftung und informierte über den Stand der Sanierung, für die mittlerweile schon 493 000 Euro gespendet wurden. Nach lange anhaltendem und energischem Beifall und einer Zugabe wurden die begeisterten Zuhörer in den unwirtlichen Novemberabend entlassen.